Auch im Odenwald gab es so manchen Gesetzesbrecher. Meist waren die Vergehen aus der Not geboren. Der „Karrenfranz“ stammt aus dem Ort Reinhardsachsen, er und sein Vater waren Köhler. Der Kohlenmeiler stand in der Nähe des Geisenhof, also auf der Odenwaldhöhe zwischen Miltenberg und Walldürn.

Nach den Überlieferungen wurde der „Karrenfranz“ als unehelicher Sohn der Rosine S. am 16. April 1864 in Ohrenbach geboren. Die Mutter heiratete den Köhler Franz Schmitt aus Reinhardsachsen, der den Michael später adoptierte. Der Köhler war allgemein unter dem Namen „Karrenfranz“ bekannt, weil er seine Waren mit dem Karren transportierte. Dieser Name ging dann auch auf seinen Sohn über, obwohl dieser Michael hieß.

Schon die Geburt des kleinen Michael wurde später mystifiziert, denn sein Vater soll von blauem Blut gewesen sein. Michael wuchs bei seinem Vater im Wald auf und kam schon früh mit Wild und Wilderei in Berührung. Mit sieben Jahren soll er, so heißt es, den ersten Hasen in der „Storchsklinge“ bei Reinhardsachsen geschossen und stolz dem Vater präsentiert haben. Wenig später hat er angeblich beim Geisenhof das erste Reh erlegt.

Damit begann die Karriere eines der gefürchtetsten Wildschützen unsere Zeit. Mit Gleichgesinnten machte er die Wälder im Odenwald, Spessart und Bauland unsicher und betrieb gewerbsmäßige Wilderei. Die Beute wurde in verschiedenen Mainstädtchen und in Frankfurt verkauft. Angesehene Leute sollen zu seinem Kundenkreis gehört haben, so auch Polizisten und gar ein Amtsrichter in Miltenberg.

Der Karrenfranz galt als kaltblütig und verschlagen. Jahrelang führte er alle Verfolger an der Nase herum und fand dabei auch Unterstützung bei der heimischen Bevölkerung. Er schaffte es immer wieder mit seinem Karren voll Holzkohle ohne größere Probleme ins Maintal und bis nach Frankfurt zu kommen, wo er seine Holzkohle verkaufte. Auf dem Rückweg ging er dann meist auf verbotene Jagd. Denn, der Karren war ja jetzt leer - und warum den Platz vergeuden, wenn man darauf auch erlegtes Wild transportieren kann?

Er hatte seine Lager und seine Verstecke an den unterschiedlichsten Stellen in den Wäldern zwischen Main und Neckar aufgeschlagen. Sein rußgeschwärztes Gesicht und sein wilder Bart sorgten für eine gefährlich anmutende Erscheinung. In Wirklichkeit war er gutherzig und verteilte oft das erlegte Wild an arme Leute.

Von der Gendarmerie wurde er überall gesucht, sie hielt ständig Ausschau nach ihm. Er hatte überall Bekannte die ihm wohlgesonnen waren, tauchte hin und wieder auf, aber niemand verriet ihn. Vielleicht trug dazu bei, dass er oft gut bei Kasse war und auch mal einen ausgab, wohl auch, dass er wie eine Art „Robin Hood“, so manches bei reichen Leuten abstaubte und es an die Armen verteilte.

Der „Karrenfranz“ war besonders bekannt für seine außerordentliche Nervenstärke und für seine Schlitzohrigkeit.


Dazu sind einige Geschichten überliefert:

So hat er einmal in einem Wirtshaus neben einem Polizisten gesessen und Karten gespielt. Beim Verabschieden hat er sich es nicht verkneifen können und sich dann mit seinem Namen vorgestellt. Bereits Sekunden später war er dann verschwunden und wie vom Erdboden verschluckt.

Ein anders Mal hatte er sich auf der Flucht vor Aschaffenburger Gesetzeshütern in einer Scheune zum Schlafen gebettet und seinen Hunger mit Wildfleisch gestillt, welches er kurz vorher erlegt und geräuchert hatte. Müde von der Verfolgungsjagd begaben sich auch die Gendarmen zur Ruhe - ausgerechnet in der gleichen Scheune, aber ein Stockwerk tiefer. Unser „Karrenfranz“ bemerkte seine Verfolger, ruhte sich aber erst einmal weiter aus. Im Morgengrauen machte er sich auf und verließ unbemerkt sein Nachtlager. Auch diesmal konnte er es sich aber nicht verkneifen, sich zu verabschieden. Auf einen Zettel schrieb er seinen Verfolgern ein paar Zeilen, wünschte ihnen noch eine gute Zeit und hinterlegte das Schriftstück so, dass sie es auch finden konnten. Als dann die Aschaffenburger Polizisten aufwachten und den Zettel lasen, war der Franz bereits über alle Berge.

Hier in der Schneeberger Waldabteilung „Heiligenklinge“ befindet sich auch eines seiner Verstecke, eine Steinhöhle, in der sich der „Karrenfranz“ nach seinem Durchstreifen der Fluren und Wälder ausgeruht und aufgehalten hat. So wurde und wird in Schneeberg erzählt (Alfred Hörst *1903 +1984, hat den Karrenfranz persönlich gekannt) daß sich der „Karrenfranz“ auch ab und zu in Zittenfelden aufgehalten hat und die dortigen Leute mit Wild versorgt haben soll.

Wie so oft lebte er auf der Flucht, verfolgt von den Gendarmen, die auch von seinem Aufenthalt in Zittenfelden gehört hatten. Diese machten sich auf den Weg, um ihn festzunehmen. Ein Zittenfeldener Bauer sah aber schon von der Ferne das Kommen der Gendarmen und informierte sofort den „Karrenfranz“. Der Bauer setzte den Gesuchten auf einen Schubkarren, stülpte eine große Futtermanne (Weidenkorb) über ihn und belud den Karren rundum und obenauf mit Stallmist.

Zwischenzeitlich erreichten die Polizisten den Ortseingang von Zittenfelden und der Bauer schob den Karren mit dem Mist und dem „Karrenfranz“ an den Gendarmen vorbei in Richtung Schneeberg. Während die Polizisten dann ergebnislos die Häuser, Ställe und Scheunen in Zittenfelden durchsuchten, versteckte sich der Franz in dieser Höhle im Schneeberger Wald.

Heimatarchiv Schneeberg
Der Karrenfranz nahm es mit dem Gesetz nicht so genau
Heimatarchiv Schneeberg
Die Karrenfranzhöhle im Schneeberger Wald

Gefasst wurde der „Karrenfranz“ schließlich am 14. November 1895 im Spessart bei Königshofen a. d. Kahl, neben Mömbris, also in der Nähe von Aschaffenburg. Dort hatte man ihn zusammen mit zwei Kumpanen, die jedoch fliehen konnten, in der Waldabteilung Roßschlag ausfindig gemacht. Michel, diesmal ausweglos umzingelt, schoss zu allem Unglück auch noch auf einen Förster mit Namen Geyer und verletzte diesen schwer.

Das Schwurgericht Würzburg verurteilte ihn wegen Mordversuchs am 12. Juni 1896 zu 15 Jahren Zuchthaus in Ebrach. Hundert Jahre zuvor hätte die Geschichte wohl noch am Galgen geendet. Zwei Jahre vor Ablauf der dieser Zeit wurde er wegen gezeigter Reue und guter Führung entlassen. Danach führte er ein bürgerliches Leben und übte das Korbmacherhandwerk aus, das er im Zuchthaus erlernt hatte und heiratete sogar noch zweimal.

Der Karrenfranz, war vermutlich der letzte große Gesetzlose und große Wilderer des Odenwaldes. Er verstarb mit 62 Jahren am 01. Oktober 1926 in Reinhardsachsen und wurde auf dem dortigen Friedhof begraben.

Der Karrenfranz ist durch all diese Geschichten zum Volkshelden geworden.

In seinem Heimatort Reinhardsachsen beschloß man im Jahr 1975, den heutigen Walzgraben „Karremichelstraße“ zu benennen, ein Beschluß, der allerdings nicht umgesetzt wurde, weil sich seine Nachkommen der Straßenwidmung widersetzten


  Weitere Infos finden Sie unter: "Karrenfranzhöhle"

  • Autor: Ewald Winkler, Geopark-vor-Ort-Begleiter Schneeberg
  • Quelle: Heinz Bermuth, „Der Odenwald“ Zeitschrift des Breubergbundes, Ausgabe 46. Jahrgang. Heft 1 / März 1999
  • Quelle: Zeitschrift „Deutsche Jäger, Illustrierte Süddeutsche Jagdzeitung“ 18. Jahrgang vom 01. Juli 1896
  • Quelle: Herr Raimund Loster, Amtsleiter i.R. der Gemeindeverwaltung Schneeberg
  • Quelle: Herr Werner Schell, Geopark-vor-Ort-Begleiter Gottersdorf
  • Foto: H. Ströbele aus dem Nachlaß von Prof. Dr. Assion Walldürn
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